Am diesjährigen internen Weiterbildungstag führte uns Reto Schneider durch die Welt des Holzes. Wir durften eintauchen in Schweizer Qualitätsarbeit mit Engineering-Geist, Werte die sich in der Firmenkultur, in den Produkten sowie in den Bauten widerspiegeln und enthusiastische Menschen, die keine menschlichen Ressourcen scheuen, um die Ressourcen der Erde zu schonen.
Tragwerke mit Qualität
Für einmal klingelte der Wecker früh, sehr früh morgens, um überpünktlich am vereinbarten Treffpunkt in Lungern zu stehen, wo Reto Schneider uns mit Kaffee und Gipfeli in Empfang nahm.
Eine kurze Plauderei und Vorschau führten in den Tag, bevor Reto uns mit auf einen Rundgang durch die Hallen der neuen Holzbau AG nahm. Dem Weg des Holzes folgend starteten wir in der Anlieferungshalle, wo uns hohe Stapel mit Holzbrettern diverser Art begegneten. Bereits finden die ersten Kontrollen und Einteilungen der Bretter statt, um diese optimal verwenden zu können. Die Laubhölzer "Ösche" = Esche, sowie Buche sind hier neben den klassischen Nadelhölzer Fichte und Tanne ebenfalls zu finden. Bei der ersten Bearbeitungsstufe, wo die Bretter mit einer Keilverzinkung maschinell aneinandergereiht werden, finden wir die nächste Prüfstation. Kleber und Verbindung müssen hier den Anforderungen entsprechen und werden getestet und die notierten Resultate gesammelt. An Maschinen und Anlagen vorbei, finden wir in der nächsten Halle die langen Bretter wieder, die hier nun zu einem Brettschichtholz gestapelt und verklebt werden. Es folgt das Bearbeitungszentrum für die diversen Ausschnitte und Bohrungen, den Zusammenbau, wo u.a. die Gewindestangen eininjiziert werden (GSA-Verbindung), die Einzelteile zu einem Element zusammengesetzt und am Ende auf den Laster verladen werden, der in der Halle bereitsteht, um die riesigen Tragwerkselemente an den Bestimmungsort zu chauffieren.
Beim Anblick des Tragwerkelementes fällt ein Stahlträger auf, der in der Mitte des Elementes positioniert ist. Darüber, im hohen obersten Brettschichtholz-Träger, ist dunkleres Holz zu sehen, das sich wie ein "Fleck" abzeichnet. Zeichen dafür, das hier das passende Material für die entsprechenden Stellen mit ihren unterschiedlichen Anforderungen eingesetzt wird. Massarbeit auf höchstem Niveau mit grösster Flexibilität.
Vorbei an diversen Messstationen, die das Verhalten vom Holz an den eigenen vier Wänden aufzeichnen, die Treppe hoch an Hölzer vorbei die auf dem Dach stehen, wohl für einen Bewitterungsversuch, und rein in den Musterraum, wo weitere Versuche aufgestellt sind. Man sieht, hier will man lernen, wissen und verstehen. Neben den diversen Verbindungsmuster und Holzmuster aller Art wird ein Holzblock präsentiert, der in den Bergen über mehrere Monate Wind und Wetter ausgesetzt wurde, um das Verhalten vom Kleber, dem Holz, der Kanten und der Verbindungen zu testen. Nichts wird dem Zufall überlassen, alles wird neugierig geprüft, getestet und überwacht.
Nicht zu sehen aber erklärt wurde uns, dass auch im Bereich der statischen Berechnung ein Programm entwickelt wurde, dass nun komplexe Tragwerke innert Kürze berechnet.
An jeder Ecke in jedem Raum ist hier der Entwicklungsgeist zu spüren. Im Unterschied zum Metall wird hier mit schnell nachwachsendem Material gearbeitet, das in unterschiedlichen Mengen vorhanden ist. So werden auch Verwendungsmöglichkeiten für die bei uns viel vorkommende Buche gesucht und man befasst sich mit der Veränderung vom Baumwachstum (mehr Buche weniger Lärche). Die Holzbranche ist sehr nahe an der Natur, das wird uns klar, was entsprechende Flexibilität und Innovation fordert. Zwei Disziplinen, die die neue Holzbau AG beherrschen, ansonsten würde nicht bereits die halbfertige neue Halle als Lagerplatz genutzt werden.
Holzbau mit Herz
Wir verlassen Lungern und treffen nach einer kurzen Fahrt in Alpnach bei der Firma Küng Holzbau AG ein. Schon bei der Fahrt auf das Gelände fällt der imposante Neubau mit seinen elegant geschwungenen Holzverkleidungen auf, die mich an einen Vorhang erinnerten bei einer zweiten Betrachtungsweise jedoch an überdimensionierte Holzschindeln. Beim Parkieren sticht mir dann eine Holzschindel an der nächsten Halle ins Auge. Um den eingebrannten Spruch darauf lesen zu können muss ich mich ihr nähern »Lasset uns am Alten, so es gut ist halten. Aber auf dem alten Grund Neues wirken jede Stund».
Es erinnert mich an alte Holzhäuser mit ihren Inschriften und Häuser, deren Eingänge mit dem Erbauungsjahr geschmückt sind. Ehrfurcht und Demut werden bereits hier spürbar.
Von einer Holzstele mit der Aufschrift Küng Holzbau AG werden wir empfangen. Brettschichtholz ohne Leim, werden wir aufgeklärt und unsere Blicke gleiten zum Bürobau. Ebenfalls alles Leim- und Metalllose Holzverbindungen. Balkone aus Eichen an welchen bereits erste, natürlich erscheinende Spuren der Bewitterung zu sehen sind. Sockelbereich zwar aus Beton, jedoch die Strukturen der Holzschalung gut sichtbar. Holz, soweit das Auge reicht auf die unterschiedlichste Art und Weise. Betritt man den Empfangsraum eröffnet sich ein Anblick mit schönstem architektonischem Holzbau und ausgearbeiteten Details aus schlichten Materialien.
Nachdem wir den Geschäftsführer Stephan Küng leider verpasst haben, nimmt uns Reto Schneider auch hier mit auf einen Rundgang durch die Produktionshallen. Was wiederum auffällt, sehr grosse Hallen, vor allem neue Hallen. Der Holzbau scheint zu boomen.
Erste Produktionshalle, ganze Wände aus Holz werden hier als Elemente zusammengebaut und fertiggestellt. Spannend für mich als prozessbegeisterte Person, die zum Metallbau unterschiedliche Elementbauweise. Wo im Metallbau die Profile vor dem Zusammenbau auf Mass geschnitten und bearbeitet werden, wird hier das Element «übergross» gefertigt, um es dann Mass genau zu- und auszuschneiden. Auf die Frage, was mit dem dabei entstehendem Holzabfall passiert, versichert uns Reto, dass hier grossen Wert daraufgelegt wird, jedes einzelne Holzkörnchen, sei es auch noch so klein, weiter zu verwenden und daran auch getüftelt wird, wie die Reste sinnvoll weiterverwenden werden können.
Wir wechseln die Halle, nochmals gross noch neuer und einfach imposant. Wir lernen das «Chäferholz» kennen. Was sich lustig anhört ist einfach Holz, dass von einem Käfer befallen ist oder war. Dieses Holz gilt als minderwertig und lässt sich daher schlechter bis gar nicht für den Bau einsetzen. Die Firma Küng Holzbau, suchte auch dafür eine Verwendung und entwickelte mit Käferholz eine Bodenplatte mit eingefrästen Rillen für Bodenheizungen. Hier fliesst wohl eher Holz durch die Adern der Mitarbeiter, dies wird bei jedem Arbeitsschritt sichtbar. Holz ist hier eine Philosophie, Holz wird hier ernst genommen und nach seinen Bedürfnissen be- und verarbeitet. Als Reto dann noch erklärt, dass die Halle bewusst multifunktional gebaut wurde, so dass auch andere Firmen / Unternehmer diese nutzen können, wird mir klar, hier ist nicht nur Demut und Ehrfurcht vorhanden, sondern auch eine bodenständige Weitsicht, die seinesgleichen sucht.
Ich bin begeistert und werde so langsam, aber sicher Fan vom Holzbau und beginne mich in diesen Wänden wohlzufühlen.
Haus des Holzes
Wir gönnen uns auf dem Weg nach Sursee eine kurze Pause, stärken uns mit einem Essen und geniessen unseren Austausch zu dritt über diverse Themen.
Beim Warten auf die bevorstehende Führung konnten wir einen ersten Blick auf und in das Haus des Holzes werfen, bekommen sogleich Erklärungen vom Entwickler und Erfinder dieses Hauses, der sich einfach mit «Pirmin» vorstellte und erste auftauchende Fragen beantwortete.
Was uns als Fassadenplaner auffällt, sind die im Verhältnis relativ wenigen Fensterflächen, die an diesem Haus vorhanden sind. Die hellen Innenräume lassen einem aber das Tageslicht nicht vermissen.
Die Gruppe aus dem Verband der Waldeigentümer traf ein und Pirmin Jung höchstpersönlich führte uns durch die Präsentation und durch den anschliessenden Rundgang durch das Gebäude.
Die Präsentation lässt uns staunen. Ein Bau, der auf schon beinahe schicksalhafte Art und Weise entstehen konnte oder wie es im Buch steht »es erforderte viele glückliche Zufälle». Ein Bauherr, der sich zuerst Gedanken über das Ziel vom Neubau macht, dem die Nachhaltigkeit wirklich wichtig ist und der sein Know-how über den Werkstoff Holz kreativ und klug umsetzt. Der das digitale Bauen mit BIM bis hin zur heutigen Nutzung durchzieht und dabei etliche Unternehmer «mitdigitalisiert». Ein Bauherr, der nichts scheut, um das umzusetzen, was sich für ihn richtig anfühlt. Kompromisslos und konsequent.
Die Buchenholzplatte für die Bodenheizung erkennen wir wieder, letzte Fragen werden geklärt und das Bild des Tages vom «Haus des Vogels», an bester Lage positioniert, wird aufgenommen.
Mit schwirrenden Köpfen lassen Martin und ich den Tag, bei einer Tasse Kaffee, ausklingen. Reto durften wir zuvor schon verabschieden und so traten wir unseren individuellen Heimweg an.
Meine Gedanken
Auf dem Heimweg lasse ich im Zug den Tag revue passieren. Automatisch ziehe ich Vergleiche zu der mir etwas bekannteren Metallbaubranche. Vielleicht mag es Zufall sein, vielleicht ist es daran geschuldet, dass ich in der Metallbaubranche zu wenige Firmen besuche, oder es liegt vielleicht auch einfach an der Person Reto Schneider, der dafürsteht, Leute, Firmen und Wissen miteinander zu verknüpfen, aber mir scheint, dass im Bereich Holzbau mehr miteinander gearbeitet wird, die Leute naturverbundener sind und daher auch mehr Wert auf nachhaltiges Bauen legen. Ich vermute, dass dies dem Baustoff Holz geschuldet ist, der für jeden sichtbar im Wald wächst. Wer weiss schon, wie ein Stück Metall hergestellt wird, in Theorie vielleicht, wir können aber das Erz nicht wachsen sehen, es nicht erleben und es kommt nicht aus der Grube vor unserem Dorf.
Wieso denken viele Holzbauer weiter? Wieso hat Holz eine andere Wirkung auf uns wie Metall? Fragen über Fragen. Irgendwie würde ich am liebsten diesen Tag nochmal erleben.
Dann die Holzlieferkette, ein spannendes Konstrukt, dass sich in vielem von der Metalllieferkette unterscheidet. Andere Akteure (wie z.B. der Forstwart), Naturereignisse können die Lieferungen verändern (z.B. Sturm, Erderwärmung, Käfer), Regionale Beschaffungsmöglichkeiten (fördert Identifizierung und Nähe zwischen den Beteiligten). Ich kenne niemanden, der den Erzabbauer kennt, oder weiss, von wo das Erz für seine Stahl-Tragstruktur kommt.
Dann die Menschen, motivierte Menschen die gutes und sinnvolles tun wollen und dies auch umsetzen, selbst oder insbesondere an den eigenen vier Wänden. Nicht nur über Nachhaltigkeit sprechen, Nachhaltigkeit Leben, vorleben und umsetzen. Das inspiriert, das macht Freude und Dankbar zu sehen, dass es solche Menschen / Unternehmer gibt.
Danke Reto Schneider für diesen Tag!
Hohestrasse 134, Atelier T14, 4104 Oberwil | mail@friedlileu.ch